Gletscher

Nein, das Gebiet des schweizerischen Mittellandes weist heute nirgends (mehr) eine Vergletscherung auf. Und dies, obwohl es in Luzern den berühmten «Gletschergarten» zu besichtigen gibt. Zur Gletscherbildung braucht es – über mehrere Jahre gesehen – ausreichende Schneemengen im Winter. Zudem muss die Umgebungstemperatur genügend tief sein, damit das Eis auch in den Sommermonaten nicht abschmilzt. Diese Bedingungen sind in den Schweizer Alpen erst in Höhenlagen ab ca. 2700 m gegeben, also nur in den Gebirgsregionen.

Zürich zur Gletscherzeit (Oswald Heer)

Zürich zur Gletscherzeit (Oswald Heer)

Ganz anders sah das Mittelland während den sogenannten «Eiszeiten» aus. In den kühlen Abschnitten des «Eiszeitalters» (Quartär = letzte rund 2.6 Mio Jahre) entströmten den Alpen in verschiedenen Schüben mehrmals riesige, weit verzweigte Gletschersysteme. Moränenwälle, Drumlins (stromlinienförmig geformte Hügelkuppen), Schmelzwasserablagerungen (Schotter) sowie Findlinge (ortsfremde Gesteinsblöcke, sog. «Erratiker»)  bezeugen die unmittelbare Anwesenheit ausgedehnter Gletscher im schweizerischen Mittelland. Die letzte bekannte globale Kaltzeit mit markanten Gletschervorstössen (im Alpenraum oft als «Würm-Eiszeit» bezeichnet) erreichte vor rund 20’000-25’000 Jahren ihr Maximum. Anschliessend, mit der generellen Erwärmung des Klimas zwischen 20’000 und 11’500 Jahren vor heute (sog. «Spät-Eiszeit»), wurden mit dem schrittweisen Zurückschmelzen der Eiszeitgletscher das Mittelland sowie auch etliche Täler der Voralpen vollständig eisfrei.

Der «Gletschergarten Luzern» – ein Naturdenkmal von nationaler Bedeutung – zeigt die Spuren der eiszeitlichen Überprägung besonders anschaulich. Hier wurden 1872 im Molassefels des Luzerner Sandsteins ein ganze Reihe von spektakulären «Gletschertöpfen» entdeckt, die weltweit zu den grössten und schönsten ihrer Art zählen.

Max Maisch, Geographisches Institut der Universität, Zürich

Gletschereis